Heimatbrief Saazerland Feber 2015


nachstehend die Beiträge:
1. Geburtstagsliste März 2015
2. Wechsel in der Heimatkreisbetreuung
3. Aus unseren Reihen nahm der Tod
4. Die Stadt Jechnitz und der Naturpark Jesenicko 2. Teil
5.Jechnitzer Geschichten „Der große Bär im Haus“ 2. Teil (Anlage)
6. Homepage Heimatkreis Podersam-Jechnitz – allgemein
7. Homepage Heimatkreis Podersam-Jechnitz - Jechnitz
8. Ortskasse Jechnitz
9. Granit-Lehrpfad –Wegeplan (Nachtrag zum Dez 2014)


Davon einige Auszüge:


4. Die Stadt Jechnitz und der Naturpark Jesenicko - Fortsetzung - Teil 2
Das verheerende Hochwasser im Jahre 1872 war vermutlich die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte Böhmens, der Hunderte von Menschen zum Opfer fielen, unzählige Häuser wurden zerstört. Glück im Unglück hatte dabei die Stadt Rakonitz, die für ihr gutes Bier und gotische Baudenkmäler bekannt ist. Vor der Vernichtung hatten sie Hunderte von Freiwilligen bewahrt, die mehrere Tage ohne Unterbrechung den Damm des Großen Teichs bei der Stadt Jechnitz verstärkten. Hätte der Damm nachgegeben, hätten die Fluten das nahegelegene Rakonitz dem Erdboden gleichgemacht. Und das ist nicht übertrieben. Im Flusstal der Blšanka 15 Kilometer weiter nördlich spülte eine ähnliche Flutwelle gleich mehrere Dörfer hinweg, über hundert Menschen fanden dabei den Tod. Die Einwohner von Jechnitz bewiesen damals wahren Heldenmut. In der Vergangenheit wurde in der Gegend von Jechnitz intensiver Bergbau betrieben, gewonnen wurden dabei Edelmetalle, sogar Gold und Silber. Die Metallgewinnung hatte solche Ausmaße angenommen, dass Je noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Bergstadt bezeichnet wurde. Spuren dieser Goldgräberei findet man heute noch, insbesondere in der Umgebung der Dörfer Kletscheding und Bergwerk. Der Weg, der diese beiden Orte miteinander verbindet, heißt bis heute Goldene Stiege. Nachdem das Goldfieber ausgeklungen war, folgte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die „industrielle Steinzeit“. Der hiesige Landstrich nämlich ist reich an qualitativ hochwertigem Granitgestein. Die bedeutendsten lokalen Steinbrüche der Firma Jaroslav Pokorny in Gerten beschäftigten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bis zu hundert Arbeiter. Die Steinbrüche in Gerten lieferten ihre Steinerzeugnisse insbesondere nach Nord- und Westböhmen, aber auch nach Prag und nach Bayern. Granit aus Gerten wurde vor allem beim Brückenbau verwendet, unter anderem auch beim Bau der Kaiser-Franz-Joseph-Brücke, der ersten im 20. Jahrhundert errichteten Brücke Prags. Mehrere Steinbrüche in der Umgebung von Jechnitz befanden sich auch im Besitz des bekannten Pilsner Unternehmers Josef Cingroš. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts baute er eine der größten Steingutfirmen Europas auf. Er besaß Steinbrüche nicht nur in Böhmen, sondern auch in Skandinavien und in Russland. Granit aus seinen Steinbrüchen in der Umgebung von Jesenice wurde bei einer Reihe von Prestigebauten in Prag, Budapest und Wien verwendet, vor allem aber beim Bau des Maria-Theresien-Denkmals in Wien. Der einzige Steinbruch in der Umgebung von Jechnitz, wo gegenwärtig Granit zu Steinmetzzwecken gewonnen wird, befindet sich bei dem Dorf Tis bei Pladen. Das Gebiet der früheren Steinbrüche bei Gerten wurde wegen seiner ästhetischen und natürlichen Werte zum Naturschutzgebiet erklärt. Durch dieses Gebiet führt auch ein Lehrpfad, der auf dem Dorfplatz in Gerten beginnt. Der Geschichte des hiesigen Steinmetzwesens widmet sich auch der Lehrpfad „Auf den Spuren des Granits“. Er beginnt auf dem Stadtplatz in Jechnitz und führt durch die Umgebung der Stadt, vorbei an dem im Jugendstil errichteten Wasserwerk aus dem Jahre 1906 und an den malerischen Unteren und Oberen Fikatschenteichen. Als ein echtes Naturwunder dürfen wohl die Felsgebilde bei Petersburg und die Riesensteine bei Žihle bezeichnet werden. Die Riesenfelsblöcke bei Scheles gehören sogar zu den größten ihrer Art in Böhmen. In der Umgebung von Jchnitz findet man auch eine Reihe von Wackelsteinen, von denen der bedeutendste auf dem Pfaffenberg bei Jechnitz liegt, 3 Kilometer vom Stadtplatz entfernt, direkt am Lehrpfad Jesenicko. Der Wackelstein bei Jechnitz war schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts als außergewöhnliche Naturkuriosität bekannt. Sein empfindlicher Mechanismus wurde seitdem schon mehr als einmal das Opfer von Vandalismus. Bislang aber ist stets gelungen, ihn wieder zu „reparieren“. Zuletzt war dies im Jahr 2014 der Fall – mit Hilfe des bekannten Ingenieurs Pavel Pavel, der in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Rätsel des Transports der Kolossalstatuen auf der Osterinsel gelöst hatte, die er auf Einladung des berühmten norwegischen Abenteurers Thor Heyerdahl besucht hatte. In der Umgebung von Jechnitz kann man darüber hinaus auch sagenumwobene bizarr geformte Steine finden. Der bedeutendste von ihnen liegt in der Nähe des Dorfes Sossen. Einer Sage nach diente er Gott und den Engeln bei ihrer Erdenwanderung als Bett. Der hiesige Landstrich ist ohnehin nicht eben arm an Sagen und Legenden. Vor allem erzählt man sich von Zwergen, die den hiesigen Bergleuten bei ihrer schweren Arbeit halfen. Im Bereich der früheren Gold- und Silberminen bei dem Dorf Kletscheding findet man noch das sogenannte Zwergelloch, einen alten Stollen, in dem einer Sage nach Zwerge lebten. Zu den zauberhaftesten Adelssitzen Böhmens zählt sicherlich das Schloss Petrohrad (Petersburg). Von 1622 bis 1945 war es Sitz der uradeligen Familie Czernin von Chudenitz und Schaltzentrale einer ausgedehnten Herrschaft, zu der auch die Stadt Jechnitz gehörte. Der letzte Schlossbesitzer aus der Czernin-Familie, Eugen Graf Czernin, machte Petersburg 1932 sogar zu seinem Hauptsitz. 1945 wurde das Schloss vom tschechoslowakischen Staat konfisziert. Gegenwärtig dienst es als psychiatrische Heilanstalt. Von Zeit zu Zeit ist die Schlosskapelle für die Öffentlichkeit zugänglich, einmal im Jahr (Juni, Gartenfest) auch der Schlosshof. Die Czernins von Chudenitz schufen in Petersburg ein Paradies auf Erden. Das ausgedehnte romantische Schloss mit seinem zauberhaften Blumengarten war von einem riesigen Park, einem Meisterwerk der Landschaftsgärtnerei, umgeben. Der Park wurde an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert von Johann Rudolf Graf Czernin angelegt. Dieser Aristokrat und Kunstliebhaber war auch der Gründer des berühmten Parks in Schönhof, einem europäischen Juwel der Landschaftsgestaltung. Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe bezeichnete den Park in Schönhof als Kunst im Naturgewande. Der Park in Petersburg erstreckte sich über eine Fläche von 300 Hektar und besaß ein Wegenetz von - man mag es kaum glauben - 200 km Länge. Dominante des Parks war der Allerheiligenhügel mit der Allerheiligenkapelle und einem Aussichtsturm in Form einer Burgruine. Die wunderschöne Aussicht vom Allerheiligenhügel wetteiferte mit dem Park und seinen Eustachischen Felsen, die nach zeitgenössischer Vorstellung an das Eingangstor der Riesen in das unterirdische Reich der Zwerge denken ließen, um den Titel des größten Naturwunders des Parks Gegenwärtig befindet sich der Park leider in keinem guten Zustand. Der Allerheiligenhügel ist am besten über den rotmarkierten Wanderweg von Schloss Petersburg aus zugänglich (1 km). Zu den Eustachischen Felsen führte ein grünmarkierter Wanderweg von der Weggabelung unterhalb des Allerheiligenhügels (0,5 km). Ein Teil des Parks wurde in das als Natura 2000 bekannte europäische Schutzgebietsnetz aufgenommen. Der Park rühmt sich zudem einer der ältesten Eichen Böhmens, der sogenannten Dicken oder Petersburger Eiche. Sie ist rund tausend Jahre alt. An die Adelsfamilie Czernin erinnern in diesem Landstrich auch das eindrucksvolle Gebäude der ehemaligen fürstlichen Brauerei in Petersburg, die Kirche in Jechnitz und vor allem das Jagdschloss Sankt Huberti. Die Brauerei in Petersburg ist das Werk des Architekten Josef Zítek (1832-1909), den Erbauer des Nationaltheaters in Prag. Eine berühmte Unterschrift trägt auch die Kirche in Jechnitz. Autor des Barockumbaus des Kirchenschiffs war kein Geringerer als der herausragende Architekt des böhmischen Barock, Franz Maximilian Kaňka (1674-1866). Den Grundstein des Barockschlosses Sankt Huberti legte Franz Joseph Graf Czernin (1696-1733), ein leidenschaftlicher Vertreter der Jägerzunft. Das Schloss stand inmitten eines Dammwildgeheges, genauer gesagt an der Stelle, wo acht Waldlichtungen zusammenliefen. Diese Lichtungen benutzte man, um die Bewegungen des Wildes bei der Jagd zu beobachten. Heute dient das Schloss zu Erholungszwecken. In den letzten Jahren wurden in der Stadt Jechnitz und Umgebung mehrere kirchliche Denkmäler restauriert und erneuert, vor allem die Kapelle des hl. Johannes Nepomuk am südlichen Stadtrand und die Wallfahrtskapelle der Jungfrau von Alltätig bei dem Gutshof Plawitsch. Die Kapelle des hl. Nepomuk wurde von den Ortsansässigen Johann Heinz und Alois Kunz errichtet. Jedes Jahr pilgerten die Gläubigen am Gedenktag dieses Heiligen in einer Prozession mit musikalischer Begleitung zu dieser Kapelle. 1945 wurde die Kapelle zerstört. Bei ihrem Wiederaufbau griff man auf eine zeitgenössische Fotografie als Vorlage zurück.


Ende Teil 2 - Fortsetzung folgt
9. Granitlehrpfad Als Nachtrag zum HB Dez die Tafel mit der Wegebeschreibung des Granitlehrpfades (siehe Bild). Genauere Informationen erfolgen in einem der nächsten Heimatbriefe. Die 9 Schautafeln, entlang des Granit-Lehrpfades, habe ich inzwischen von dem Historiker Roman Hartl erhalten. Ich werde sie demnächst in die Homepage einstellen.



GB Erich Scheubert